Sonntag, März 04, 2007

Von dem Glück eine Krücke zu haben

Unglaublich, ich räume grad meinen PC auf (ja ich weiß auch, dass es mitten in der Nacht ist, aber mich stört das nicht) und was sehe ich da? Ich schrieb meinen Blog schon bevor ich einen Blog hatte. Klingt verwirrend? Ist es auch. Tatsächlich sollten wir damals für die Schule (SVEN IN DER SCHULE, das spricht für das Alter des Textes) so eine Art lustige Anekdote aus unserem Leben niederschreiben (oder was war die Aufgabe? Marian, hilf mir ma auf die Sprünge!). Jedenfalls ist hier nun mein recht humoristischer Beitrag in annähernder Form meines heutigen Blogs aus dem Jahre 2005:

"Was ist das Beste was einem passieren kann? Richtig, ein Muskelfaserriss! Glaubt ihr nicht? Ist aber so. Denn was ich in den letzten Wochen erlebe ist bald ja nicht mehr normal. Nachdem ein flüchtendes Pony nicht nur meinen Sommerjob zunichte machte, sondern mir auch das Bein ramponierte, gehe ich an einer Krücke. Diese in dezentem knall gelb gehaltene Gehilfe, die recht schnell Freundschaft mit meinem rechten Bein schloss, ist eine echte Hilfe. Doch nicht wie ihr denkt, sondern viel subtiler. Klar hilft sie mir beim Gehen, aber in anderer Richtung ist sie viel hilfreicher! Noch nie haben alte Frauen mir einen Platz in der U-Bahn angeboten, nie waren Mitschüler so zuvorkommen und ganz sicher noch nie in meinem ganzen Leben hat Marian freiwillig meine abartig schwere, aber dafür sehr neue Kameraausrüstung getragen! Während ich freudig an meiner Krücke auf Motivsuche durch Hagenbeck springe, schleppt sich der arme Kerl mit meinem neuen Schwarm, der Pentax *ist Ds (Anmerkung eines sehr viel älteren Svens von 2007: Damals war die Pentax echt das nonplusultra, heute ist sie eher das Schubladenkind, aber lieb hab ich sie immer noch ;) ) und massig Fotokram, wie einem Stativ und sehr viel unnützen, aber schwerem Kram ab. Selbst die ganze Sache aufzubauen war ihm nicht zu dumm, denn ich bin ja Invalide! So konnte ich dann hinkender Weise sehr schöne Bilder machen. Auch muss ich dank meiner Unterarmstütze (Fachbegriff für Krücke) keine Getränkekisten mehr in den dritten Stock tragen, das übernimmt Mama nun freiwillig, hoffen wir, dass das lange so bleibt (Anmerkung 2007: Nein, am ersten Tag wo die Krücke weg war, durfte ich wieder schleppen!).

Alles in allem kann ich nur jedem empfehlen sich einen Muskelfaserriss im Zusammenhang mit einer fetten Zerrung zuzulegen, es lohnt sich wirklich!"

So war das also 2005, gerade Marian wird sich noch sehr lebhaft daran erinnern ;).

So long, Sven

Samstag, März 03, 2007

„Angie-Disneyland“ oder „Von tuten, blasen und Geigen“

Zwei Wochen ist es nun her, dass ich mal wieder einen sehr lustigen Tag erleben durfte.

Da ja diverse Freunde nie Zeit haben (jaha, Marian, du diverser Freund), erbarmte sich Angie meiner und schlug mir sofort ein fantastisches Ausflugsziel vor: Die Zentralbibliothek! Gut, auf den ersten Blick nicht wirklich aufregend, doch wenn man schon so sozial abgekapselt ist wie ich, greift man nach jedem kommunikativen Strohhalm, selbst wenn dieser einen in die Zentralbibliothek führt.

Da ich ja außer den Wegen nach Hagenbeck, Saturn oder McDonalds fahrplanmäßig völlig ungebildet bin, ließ ich mir von Angie in Ruhe erklären wie ich zu diesem doch recht großen Gebäude am Rande der Innenstadt gelangen könne. Der Wortlaut (bis auf die Haltestelle, da könnte ich mich schon wieder vertun’) ging ungefähr so: „Du fährst bis zur Steinstraße und da ist es dann schon ausgeschildert.“ Klingt einfach dachte ich und schaute nicht weiter im Internet nach. Ein Fehler der sich noch böse rächen sollte.

Einen Tag später, an diesem denkwürdigen Donnerstag, hetzte ich mich wie ein Bekloppter ab um rechtzeitig die Zentralbibliothek, den hehren Ort der Bildung, zu erreichen. Nach einer ereignislosen U-Bahnfahrt kam ich nun an der Steinstraße an (wahrscheinlich schreien grad alle HVV-Kenner und literarisch hochgebildeten Mensch auf, das ich die völlig falsche Haltestelle nenne, aber damit muss ich nun leben. Ich sag nur: Alzheimer lässt grüßen!) und sah mich nach Hinweißschildern um. Doch ich stand wie der Ochs’ vorm Berg. Mannigfaltige Schilder wiesen mich auf Ämter, Straßen, Geschäfte und Toiletten hin, doch keiner dieser buntgefärbten Richtungsweiser sagte mir, wo ich die Zentralbibliothek finden könnte. Also dachte ich mir, als in Storchastik (sicher falsch geschrieben und wenn dann mit Absicht!) gebildeter Mensch: „Du hast eine 50:50 Chance den richtigen Ausgang zu finden!“ Also stapfte ich rechtsherum die Station entlang. Vorbei an bettelnden Pennern (zu dieser Personengruppe komme ich später noch) und Kotzlachen kam ich zu einer weiteren, unterirdischen Weggabelung. Weil mir gerade danach war, bog ich links ab. Und kaum kam ich aus dem versifften Untergrund, da winkte mir das Hinweisschild geradezu mit einem Zaunpfahl: „Zentralbibliothek 500m“ Wahnsinn, dass ist so, als würde man das verrückte Labyrinth mit verbundenen Augen spielen und trotzdem gewinnen. Ich schritt also forschen Fußes diese Hort des Wissens entgegen und dachte mir, dass doch Angie schon mit strahlendem Gesicht auf mich warten würde. Doch was war?! Nix war! Mutterseelenallein stand ich auf weiter (gepflasterter) Flur und schaute mich um. Während der raue, hanseatische Wind gegen mein Antlitz schlug, war Angie nirgends zu entdecken. Nur zwei überdimensionale Menschenskulpturen, die eher nach Giraffenprototypen aussahen, teilten sich mit mir den ansonsten Menschenleeren Platz. Klug wie ich bin schnappte ich mir mein Mobiltelefon und wählte Angies Nummer. Was dann kam, hätte auch der Plot für einen Schlechten B-Movie-Streifen gereicht (nein, keiner sagte „Hier spricht Edgar Wallace!“ oder „Hi Clarice!“). Es klingelte gar nicht, sondern es wurde nur abgenommen. Dann hörte ich nur Schritte, die auf dem Streusalz knirschten. Nach ca. 20 Sekunden legte ich auf, versuchte Angie ein weiteres mal zu erreichen, mit dem selben Ergebnis. Kaum 15 (!!!) Minuten nach der verabredeten Zeit traf auch Angie am Ort des Geschehens ein.

Eine kurze Begrüßung und eine längere Entschuldigung ihrerseits später befanden wir uns in den heiligen Hallen von Moria... ähm... nee... das war von Tolkien... wir befanden uns natürlich in den heiligen Hallen des Wissens, dem Gangway of knowledge, dem maison d’intelligence, usw...

Angies Blick war unbezahlbar. Gefühle die ich nur beim Anblick der Masoalahalle in Zürich bekomme, schienen in ihr hoch zu brodeln. Ihre Augen funkelten im schein der dezenten Beleuchtung dieses mächtigen Komplexes. Dies ist ihr Disneyland, quasi das Anige-Disneyland! Ein bestimmtes Ziel vor Augen wurde ich durch bestimmte Abteilungen gezerrt, bis wir bei den Romanen ankamen. Angie als bekennender Buchjunkie hatte natürlich eine meterlange Liste dabei, welche lyrischen Meisterwerke sie sich diesmal ausleihen wollte. Fast wie blind fand sie sich zwischen den Regalen zurecht und man konnte förmlich spüren wie sie im Kopf die „Hab-ich-schon-gelesen-Liste“ durchging. Ich ging die Sache etwas pragmatischer an. Ich sah ein großes, gelbes Buch mit der Aufschrift „Shakespeare für Dummies“. Das war meine Kragenweite. Sofort hatte ich es aus dem Regal gezogen und nahm mir vor es mir auszuleihen.

An dieser Stelle kürze ich die Geschichte etwas, denn es würde viele unnötige Zeilen fressen, eine Stunde des Verfolgens von Angie durch die Zentralbibliothek zu beschreiben. Quintessenz: Ich hatte mein gelbes Buch, sowie zwei Hemmingway-Comics und Angie einen Stapel Bücher, der ihre zierliche Gestalt um einiges überragte. O-Ton Angie: „Das reicht für eine Woche.“

Während sie ihre Bücher auslieh, musste ich erst eine viel größere Hürde überwinden, die Anmeldung! Dieser Teil der Zentralbibliothek war natürlich notorisch unterbesetzt und so fand ich mich in meiner Ein-Mann-Schlange wieder, wartend, dass die Tante vor mir langsam mal zu Potte kam. Doch die ließ sich Zeit und die Angestellte (so etwa: Schreinemakers auf Morphium in ihrer Hippiephase mit patentierter Beamtenmanier) durfte ihr noch mal alle Angebote genaustens erklären (das ist wie wenn man sich bei BurgerKing am DriveIn-Schalter alle Menüzusammensetzungen erklären lässt). Nun endlich, nach gefühlten Stunden entschwand die nervende Frau aus meinem Blickfeld und ich war an der Reihe. Schlau wie ich war hatte ich mir schon vorher alles durchgelesen und sagte nur: „Guten Tag, eine halbjährige Karte für 9 Euro bitte!“ Daraufhin folgte ein sehr verwirrendes Gespräch, dass ich so kaum wiedergeben kann. Jedenfalls dauerte es sehr lange bis wir einen Schritt weiter waren, bei der Datenaufnahme. Nachdem fast alle Daten geklärt waren kam die Frage auf ob ich denn schon mal eine Bücherhallenkarte hatte. Nach bestem Gewissen antwortete ich mit „Nein“. Ein schwerer Fehler, denn auf diese Antwort hatte sie schon gewartet. Mit einem hämischen Grinsen sagte sie: „Hier steht aber, dass sie schon mal eine Karte hatten.“ „Nein, hatte ich nicht, jedenfalls nicht in den letzten 10 Jahren!“, konterte ich Geschickt. Ihr Grinsen wurde breiter: „Doch, und zwar genau vor 10 Jahren!“ Ich war platt. Tatsächlich standen da noch Adresse und Daten von einem achtjährigen Sven, der anscheinend mal eine Bücherhallenkarte von der Schule aufgezwungen bekommen hatte und zwar exakt 10 Jahre zuvor, hätte ich mir meine neue Karte drei Tage später geholt, hätte sogar das Datum gestimmt!

Endlich, nach einer weiteren Ewigkeit des Wartens konnte ich meine Bücher ausleihen und lossprinten, denn ich hatte ja noch gesellschaftliche Verpflichtungen (ha, das hab ich geschickt den ganzen Text über nicht erwähnt ;) ). Da ich dort nicht mit meinem blauen „Ich bin gut zu vögeln“-T-Shirt aufkreuzen konnte musste ich mich noch umziehen.

In der Musikhalle schauten wir uns diesen Abend eben „Classic meets Jazz“ an und dazu möchte ich nun nicht alles wiedergeben, sondern nur einige kleine Teile.

Zunächst einmal waren da eben diese Penner (sorry für die Ausdruck, aber was besseres fällt mir nicht ein, denn Obdachlose sind nicht so ungepflegt und unfreundlich), die vor der Vorstellung am Haupteingang der Musikhalle „Hinz&Kunz“, unser städtisches Obdachlosenmagazin, anboten. Rein vom Product-Placement und von der Vermarktung her eine Katastrophe. Da machte es dann die Sache auch nicht besser, dass jeder Musikhallenbesucher der nicht kaufte rüde beschimpft wurde. Die geilste (meine Mutter verzeihe mir diese Phrase aus meinem geringen Wortschatz) Bemerkung brachte dann aber ein älteres Ehepaar vor mir (sie mit Nerzstola und er in einem feinen Anzug): „Also wirklich, immer diese soziale Unterschicht!“ Meine Parodie dieser beiden Snobs, die ich sogleich etwas lauter zum besten gab, fand bei den umstehenden Gästen größeren Anklang, bei dem älteren Ehepaar sowie meiner Mutter, der dies hochpeinlich war, eher weniger.

Die zweite Situation in der Musikhalle war Folgende: Ich saß schon im Saal und wartete auf die „Show“. Da alles noch dauerte las ich in meinem schönen, gelben Buch und wurde sogleich von einem Mann mittleren Alters darauf angesprochen. Nach dem Motto: Aha, den Stoff von einem Semester in einer Woche. Ich sagte nur „Erstaunlich wie sehr ich mich nun für Literatur interessiere, nachdem ich doch die Schule abgebrochen habe!“ Etwas entsetzt verzog sich Mr. Schubladendenken wieder.

Das letzte Erlebnis dieses Tages gab es dann während der Vorstellung: Ein älterer Mann aus der ersten Reihe sprang unvermittelt auf und schritt auf die Ausgangstür zu, dicht gefolgt von seiner Lebensgefährtin/Frau/Krankenpflegerin. Leider ging die Tür nach innen auf, nicht andersrum wie er vermutet hatte. Knallend prallte er an dem massiven Eichenholz ab und stürzte kollabierend zu Boden. In dem Moment wurde klar wie viele Ärzte im Saal waren. In Bruchteilen von Sekunden waren ca. 15 Männer auf den Beinen um dem alten Mann eine Emergency Room-Mäßige Rettung zukommen zu lassen. Es lebe der hypokratische Eid! Der alte Mann wurde dann von dieser halben Alphateambelegschaft aus dem Saal gebracht und die Vorstellung konnte in Ruhe weitergehen.

So, mal wieder viel geschrieben, vielleicht ließt es ja auch einer.

So long, euer Sven